Der Schieb­ko – ein elek­tro­me­cha­nisch ein­stell­ba­rer Schiebekondensator

Für einen Anten­nen­tu­ner der meh­re­re Fre­quenz­bän­der abdecken soll, benö­tigt man ein­stell­ba­re Induk­ti­vi­tä­ten und Kapa­zi­tä­ten. Manu­ell ein­stell­ba­re Tuner ver­wen­den dafür Dreh­kon­den­sa­to­ren und Roll­spu­len. Die­se Tuner sind nor­ma­ler­wei­se nur im Haus an der Funk­sta­ti­on zu ver­wen­den, denn selbst wenn sie wet­ter­fest sind, wird man nicht nach drau­ßen gehen wol­len, um sie neu abzustimmen.

Für den Außen­ein­satz gibt es daher elek­trisch ein­stell­ba­re Anten­nen­tu­ner, die aber meist nur per Relais eini­ge Fest­kon­den­sa­to­ren und Spu­len umschal­ten. Dadurch wird der Abstimm­be­reich ein­ge­schränkt und jedes Relais bedeu­tet zusätz­li­che Ver­lu­ste und induk­ti­ve und kapa­zi­ti­ve Stö­run­gen. Daher wären stu­fen­los elek­tro­me­cha­nisch ein­stell­ba­re Bau­tei­le von Vorteil.

Zum Ein­stel­len der Kapa­zi­tät bie­ten sich Schritt­mo­to­ren an. Sie sind sehr preis­gün­stig in vie­len Vari­an­ten erhält­lich. Damit kann man zum Bei­spiel einen Dreh­kon­den­sa­tor ein­stel­len, aller­dings benö­tigt man ein pas­sen­des Unter­set­zungs­ge­trie­be mög­lichst ohne Spiel. Es gibt auch Schritt­mo­to­ren, die schon eine Spin­del ein­ge­baut haben und damit die Dreh­be­we­gung auf eine Trans­la­ti­ons­be­we­gung umset­zen, wie z.B. der hier abgebildete:

Schrittmotor mit Spindel
Schritt­mo­tor mit Spin­del zum Erzeu­gen einer linea­ren Bewegung.

Die­ser Schritt­mo­tor ist bei den bekann­ten Ver­kaufs­stel­len in Chi­na im Zeh­ner­pack für weni­ger als 2 Euro pro Stück zu bezie­hen. Mit einem sol­chen Motor kann man recht ein­fach einen Plat­ten­kon­den­sa­tor aus einer oder meh­re­ren Plat­ten ver­stel­len, der als Schie­be­kon­den­sa­tor („Schieb­ko“) aus­ge­führt ist. Gesagt getan!

Die wesent­li­chen Rand­be­din­gun­gen für den Kon­den­sa­tor sind sein Ein­stell­be­reich und die Span­nungs­fe­stig­keit. Die Anwen­dung in einem Anten­nen­tu­ner bei einer mode­ra­ten Aus­gangs­lei­stung von 100 Watt erfor­dert weni­ger als 1 kV Span­nungs­fe­stig­keit. Bei 50 Ω hat man zwar nur unter 100 V anlie­gen, aber da auch hoch­oh­mi­ge end­ge­spei­ste Anten­nen mit eini­gen weni­gen kΩ ange­passt wer­den sol­len, ist man erst mit 1 kV auf der siche­ren Sei­te. Bei der Wahl des Ein­stell­be­reichs fällt die Fest­le­gung etwas schwe­rer. Einer­seits kann man nach oben nie genug haben, beson­ders für die lang­wel­li­gen Bän­der, ande­rer­seits steigt aber fast unver­meid­lich auch die mini­ma­le Kapa­zi­tät mit der maxi­ma­len. Nun gut, für den Pro­to­ty­pen habe ich ein­fach einen Bereich von 20 pF bis 100 pF ange­strebt. Durch Hin­zu­fü­gen wei­te­rer Plat­ten lässt sich die­ser Bereich anpassen.

Bleibt die Fra­ge des ver­wen­de­ten Mate­ri­als und sei­ne Dimen­sio­nen. Der Hub des oben gezeig­ten Schritt­mo­tors beträgt gut 35 mm. Auf eine Füh­rung für den Plat­ten­sta­pel soll mög­lichst ver­zich­tet wer­den, d.h. der Schie­ber soll ein­fach in den Sta­tor glei­ten und dabei der Plat­ten­ab­stand gewahrt blei­ben. Um die lei­ten­de Kon­den­sa­tor­plat­te muß also ein Iso­la­tor ange­bracht sein, der einen Kurz­schluß ver­hin­dert. Ein Luft-Dreh­ko bzw. ‑Schieb­ko wäre wegen der not­wen­di­gen Füh­rung mecha­nisch aufwendiger.

Der Auf­bau

Als ein­fach­ste und bil­lig­ste Lösung bie­ten sich auf Maß gefrä­ste FR-4-Lei­ter­plat­ten an.

Kondensatorplatten aus FR4
Kon­den­sa­tor­plat­ten aus FR‑4

Links sind die drei Plat­ten des Sta­tors zu sehen und rechts die bei­den Plat­ten des Schie­bers. Außer­dem gibt es Abstands­hal­ter und eini­ge M2er Schrau­ben. Die Sta­tor­plat­ten sind 40 mm x 50 mm groß und auf der Unter­sei­te etwa 0,25 mm ein­ge­fräst, so daß die Schie­ber leicht hin- und her­glei­ten kön­nen. Zusam­men­ge­baut sieht das gan­ze dann so aus:

Schiebekondensator zusammengebaut
Der fer­tig­mon­tier­te Schiebekondensator.

Hier ist der Schie­be­kon­den­sa­tor auf einem betriebs­be­rei­ten Pro­to­ty­pen mit dem Schritt­mo­tor verbunden.

Die Ansteue­rung erfolgt hier mit einem I/O Board mit RS485 Schnitt­stel­le, das an ande­rer Stel­le schon­mal beschrie­ben wur­de. Es ist über eine Mod­Bus-Schnitt­stel­le mit dem PC ver­bun­den. Als Trei­ber dient ein klei­nes Board mit „A4988 step­per motor dri­ver“, die es auch als Schütt­gut bei chi­ne­si­schen Händ­lern zu kau­fen gibt. Es ist zwei­fel­los über­di­men­sio­niert, aber hier die ein­fach­ste, bil­lig­ste und schnell­ste Lösung. Die jewei­li­ge Ziel­po­si­ti­on wird hier am PC mit dem Mod­Bus-Uti­li­ty QMod­Ma­ster ein­ge­ge­ben. Das Video oben zeigt die Ori­gi­nal­ge­schwin­dig­keit, also weder Zeit­raf­fer noch Zeit­lu­pe. Zwi­schen den End­po­si­tio­nen lie­gen hier etwa 250 Schrit­te. Der Ein­fach­heit hal­ber wer­den die Schritt­im­pul­se in einem 10 ms-Inter­rupt-Hand­ler erzeugt. Micros­tep­ping ist mög­lich, aber hier wird für jeden Schritt­im­puls ein vol­ler Schritt aus­ge­führt. Mit Micros­tep­ping fährt der Motor wesent­lich sanf­ter und geräusch­lo­ser, braucht aber dop­pelt oder vier­mal so lan­ge. Für eine „Release-Ver­si­on“ wäre die Soft­ware noch etwas zu über­ar­bei­ten, aber hier soll es ja nur um ein „pro­of-of-con­cept“ gehen.

Die Meß­er­geb­nis­se

Die Para­me­ter des Kon­den­sa­tors kön­nen mit einem Netz­werk­ana­ly­sa­tor an der SMA-Buch­se gemes­sen wer­den. Hier zunächst mal die Meß­er­geb­nis­se zwi­schen 0 und 100 MHz für ver­schie­de­ne Ein­stel­lun­gen des Kondensators:

Schiebekondensator, voll ausgefahren
Schie­be­kon­den­sa­tor voll ausgefahren.
Schiebekondensator, 50% eingefahren
Schie­be­kon­den­sa­tor 50% eingefahren.
Schiebekondensator, 75% eingefahren
Schie­be­kon­den­sa­tor 75% eingefahren
Schiebekondensator, voll eingefahren
Schie­be­kon­den­sa­tor voll eingefahren

Im voll aus­ge­fah­re­nen Zustand hat der Kon­den­sa­tor also unge­fähr 20 pF, im voll ein­ge­fah­re­nen Zustand gut 100 pF. Das sind unge­fähr die Ziel­wer­te für die Ent­wick­lung des Pro­to­ty­pen. Dem­entspre­chend wur­de die Grö­ße des Schie­bers und die Anzahl der Plat­ten gewählt. In einer über­ar­bei­te­ten Ver­si­on wür­de ich ver­su­chen, die unte­re Kapa­zi­tät auf 10 pF bis 15 pF her­un­ter­zu­be­kom­men. Das soll­te durch Umdi­men­sio­nie­ren des Schie­bers mög­lich sein. Die Kapa­zi­tät ist line­ar ein­stell­bar und jeder Schritt ändert sie um etwa 0,3 pF ((100pF-20pF)/250 Schrit­te). Die Wie­der­hol­ge­nau­ig­keit liegt etwas höher, weil der Schie­ber lose ein­ge­hängt ist und etwas wackelt, aber den­noch bei unter 1 pF.

Die Mes­sun­gen bei 75% und 100% zei­gen Seri­en­re­so­nan­zen bei 89,8 MHz und 82,2 MHz. Das ist nicht wei­ter ver­wun­der­lich und war zu erwar­ten. Die Zulei­tun­gen zum Sta­tor und zum Schie­ber bil­den eine Induk­ti­vi­tät in der Grö­ßen­ord­nung von 40 nH. Sie ändert sich auch etwas mit der Stel­lung des Schie­bers. Da der Ein­satz­be­reich des Kon­den­sa­tors bis zum 10 m Band geplant ist, stört die­se Induk­ti­vi­tät hier nicht. Auch das 6 m Band und das 4 m Band wären noch abzudecken.

Gute Güte…

Ist also alles gut? Nein, die Crux ist die Güte des Kon­den­sa­tors. Sie ist in rot dar­ge­stellt und liegt je nach Fre­quenz und Kapa­zi­tät zwi­schen 50 und 100. Das ist nicht gut, Kon­den­sa­to­ren haben nor­ma­ler­wei­se Güten über 1000, aber viel­leicht kann man das hier tole­rie­ren oder verbessern.

Der Kehr­wert der Güte ist der Ver­lust­fak­tor, hier also 0,01 bis 0,02. Das bedeu­tet, wenn der Kon­den­sa­tor mit 100 Watt beauf­schlagt wird, erzeugt er eine Ver­lust­lei­stung von 1 bis 2 Watt. Die feh­len dann bei der abge­strahl­ten Lei­stung, aber bekannt­lich gilt „ein biss­chen Schwund ist immer“. Da Ener­gie aber zum Glück nicht ver­lo­ren geht, wird sie in Wär­me umge­wan­delt. Nun hat der Kon­den­sa­tor eine recht gro­ße Ober­flä­che und wird 2 Watt auf Dau­er ablei­ten kön­nen. Außer­dem ist FR‑4 ja recht hit­ze­be­stän­dig, aber über das Pro­blem soll­te man sich im Kla­ren sein, zumal wei­te­re Kom­po­nen­ten auch erheb­li­che Ver­lu­ste haben. Eine End­stu­fe mit 1 oder 2 kW wür­de sicher­lich die Bela­stungs­gren­ze die­ses Schie­be­kon­den­sa­tors überschreiten.

Zum Ver­gleich habe ich einen 10 pF Glim­mer-Kon­den­sa­tor und einen 100 pF Kera­mik-Hoch­volt-Kon­den­sa­tor (3 kV) mit dem­sel­ben Test­auf­bau ausgemessen:

10pF Mica
10pF/100V Glim­mer­kon­den­sa­tor.
100pF KerKo, 3kV
100pF/3kV Kera­mik­kon­den­sa­tor

Bei­de Kon­den­sa­to­ren haben deut­lich höhe­re Güten zwi­schen eini­gen 100 und eini­gen 1000. Das zeigt, daß der Meß­auf­bau im wesent­li­chen kor­rekt ist.

Was ist denn nun die Ursa­che für die gerin­ge Güte des Eigen­bau-Kon­den­sa­tors und wie kann man sie ver­bes­sern? Nun, die Ursa­che sind die dielek­tri­schen Ver­lu­ste von FR‑4. Wiki­pe­dia doku­men­tiert einen Dielek­tri­scher Ver­lust­fak­tor von 0,012 bis 0,035 für FR‑4 Stan­dard­ma­te­ri­al. Das deckt sich gut mit den oben gezeig­ten eige­nen Mes­sun­gen, die zwi­schen 0,01 und 0,02 erga­ben. Da muß man nicht wei­ter­grü­beln, mit FR‑4 wird das nicht besser.

Zukünf­ti­ge Versuche

Die Ergeb­nis­se die­ses ersten Ver­suchs sind viel­ver­spre­chend. Im Prin­zip hat es funk­tio­niert. Wie geht es nun weiter?

Soll das Kon­zept bei­be­hal­ten wer­den, dann muß man nach bes­se­rem Lei­ter­plat­ten­ma­te­ri­al suchen und even­tu­ell doch auf Luft als Dielek­tri­kum umstei­gen. Eine schö­ne und nütz­li­che Tabel­le mit den Ver­lust­fak­to­ren ver­schie­de­ner Mate­ria­li­en gibt es bei Microwaves101. Außer den für Bast­ler schwer erhält­li­chen Mate­ria­li­en von Rogers (hin und wie­der bie­tet die jemand auf der Ham-Radio an) bie­ten sich Eigen­bau­lö­sun­gen auf PTFE-Basis („Tef­lon“) an. Des­sen Dielek­tri­zi­täts­kon­stan­te ist nur halb so groß, wie die von FR‑4 und damit wird für die­sel­be Kapa­zi­tät die dop­pel­te Flä­che benö­tigt. Dafür liegt der Ver­lust­fak­tor in der Grö­ßen­ord­nung von 0,0002 und ist damit hun­dert­mal bes­ser als FR‑4. Die Durch­schlags­fe­stig­keit von PTFE ist etwas höher als FR‑4, 18kV/mm gegen­über 14 kV/mm. Damit kön­nen die Plat­ten etwas dich­ter anein­an­der posi­tio­niert werden.

Ein Schie­be­kon­den­sa­tor nach dem hier beschrie­be­nen Muster mit PTFE Dielek­tri­kum ist ein hei­ßer Kan­di­dat für wei­te­re Versuche.

Stay tun­ed!