Man­tel­wel­len als Fol­ge sym­me­tri­scher und asym­me­tri­scher Quel­len und Senken

Die­ser Bei­trag erklärt die Unter­schie­de sym­me­tri­scher und asym­me­tri­scher Strom- und Span­nungs­quel­len und Sen­ken. Er zeigt anhand von Spi­ce-Simu­la­tio­nen, was pas­siert, wenn die Sym­me­trie zwi­schen Quel­le und Sen­ke gebro­chen wird und wie man die Fol­gen davon mini­miert. Obwohl die Über­le­gun­gen glei­cher­ma­ßen für Gleich- und Wech­sel­span­nung bzw. Gleich- und Wech­sel­strom jeder Fre­quenz gel­ten, ist der Ein­fach­heit hal­ber nach­fol­gend immer von Wech­sel­span­nung die Rede. Da es um Funk­an­wen­dun­gen geht, soll­te man immer in der MHz-Kate­go­rie den­ken, eher nicht an 50 Hz.

Als Mas­se bezeich­net man übli­cher­wei­se das Refe­renz­po­ten­ti­al inner­halb einer elek­tro­ni­schen Ein­heit. Um ein gerä­te­über­grei­fen­des Refe­renz­po­ten­ti­al zu haben, wer­den die Mas­sen ein­zel­ner Gerä­te in der Regel zusam­men­ge­schlos­sen und geer­det, also mit der Gebäu­de­er­dung verbunden.

Defi­ni­ti­on

Der Begriff Sym­me­trie bezieht sich hier auf das Refe­renz­po­ten­ti­al, nor­ma­ler­wei­se also die Mas­se. Eine asym­me­tri­sche Quel­le oder Sen­ke hat die Mas­se als fixes Refe­renz­po­ten­ti­al. Das Signal am ande­ren Pol wird immer gegen die­se Mas­se gemes­sen und kann dem­ge­gen­über belie­bi­ge posi­ti­ve und nega­ti­ve Wer­te anneh­men. Das Mas­se­po­ten­ti­al bleibt dabei immer kon­stant und hat defi­ni­ti­ons­ge­mäß eine Span­nung von null Volt. Es ist also gegen­über dem Signal pri­vi­le­giert und nicht austauschbar.

Asymmetrische Spannungsquelle
Asym­me­tri­sche Spannungsquelle

Bei einer sym­me­tri­schen Quel­le sind bei­de Pole gleich­be­rech­tigt. Sie kön­nen einen Mas­se­be­zug haben, müs­sen das aber nicht. Span­nun­gen wer­den nur zwi­schen den bei­den Polen gemes­sen. Sie kön­nen gegen­ein­an­der getauscht wer­den, wodurch sich ledig­lich die Pha­se um 180° dreht.

Symmetrische Spannungsquelle
Sym­me­tri­sche Spannungsquelle

Falls ein Mas­se­be­zug der sym­me­tri­schen Quel­le vor­han­den ist, muß die­se Mas­se jeder­zeit auf dem mitt­le­ren Poten­ti­al die­ser bei­den Pole lie­gen, denn sonst ist die Quel­le nicht mehr sym­me­trisch. Den klas­si­schen Fall einer sym­me­tri­schen Span­nungs­quel­le stellt ein Trans­for­ma­tor mit zwei gleich­ar­ti­gen Sekun­där­wick­lun­gen dar, die in der Mit­te mit­ein­an­der und mit der Mas­se ver­bun­den sind.

Symmetrische Spannungsquelle mit Massebezug
Sym­me­tri­sche Span­nungs­quel­le mit Massebezug

Elek­tri­sches Verhalten

Poten­ti­al­freie Last

Der Anschluß einer sym­me­tri­schen Last an eine sym­me­tri­sche oder asym­me­tri­sche Span­nungs­quel­le zeigt kei­ne Überraschungen.

Simulation einer asymmetrischen Spannungsquelle
Simu­la­ti­on einer asym­me­tri­schen Spannungsquelle

Hier wird eine 1 MHz Sinus­span­nung von 10Veff an einen reel­len 50 Ω Wider­stand ange­legt. Die am Wider­stand R1 umge­setz­te Lei­stung beträgt 2 W. Dar­an ändert sich nichts, wenn man die Mas­se weg­lässt. Aller­dings will Spi­ce immer einen Mas­se­be­zug haben, die Simu­la­ti­on wür­de ohne die Mas­se­ver­bin­dung also scheitern.

In der Rea­li­tät sind die bei­den Zulei­tun­gen zu R1 aller­dings nicht ide­al. Sie haben einen ohm­schen Wider­stand, eine Induk­ti­vi­tät und eine Kapa­zi­tät. Simu­lie­ren wir mal nur den ohm­schen Wider­stand und ver­nach­läs­si­gen wir die Impedanzen.

Simulation einer asymmetrischen Spannungsquelle und des Zuleitungswiderstands
Simu­la­ti­on einer asym­me­tri­schen Span­nungs­quel­le und des Zuleitungswiderstands

Es wur­de will­kür­lich ein Lei­tungs­wi­der­stand von 1 Ω je Lei­tung ange­nom­men. Dadurch sinkt die in R1 umge­setz­te Lei­stung auf 1,85 W. Wich­ti­ger ist hier aber die Dif­fe­renz der Strö­me (rote Linie), die durch die Zulei­tun­gen R4 und R5 flie­ßen: die­se Dif­fe­renz ist null. Die Strö­me sind also jeder­zeit völ­lig gleich.

Ein sym­me­tri­scher Dipol als Last

Wie sieht das nun aus, wenn wir einen sym­me­tri­schen Dipol anschlie­ßen, des­sen Impe­danz bei Reso­nanz 50 Ω reell sein soll (was bekannt­lich nur annä­hernd stimmt), sich also von dem oben gezeig­ten Wider­stand nicht unter­schei­det. Dabei soll ein Dipol-Arm an UR11 ange­schlos­sen wer­den, der ande­re an UR12.

Der Dipol erfüllt nicht die Erwar­tung, daß UR12, wenn auch über 1 Ω, auf Mas­se­po­ten­ti­al bleibt. Der Dipol ist frei auf­ge­hängt und bei­de Pole sind gleich­wer­tig, er ist sym­me­trisch. Über die gal­va­ni­sche Kopp­lung an UR11 und UR12 hin­aus, ist der Dipol auch durch sein elek­tro­ma­gne­ti­sches Feld mit Erde und Mas­se ver­bun­den. Die Abstrah­lung die­ses elek­tro­ma­gne­ti­schen Fel­des ist ja letzt­lich sei­ne Auf­ga­be. Es darf nicht igno­riert wer­den. Der Dipol gene­riert sich damit sein eige­nes mit­ti­ges Bezugs­po­ten­ti­al und damit sieht die Rea­li­tät nun fol­gen­der­ma­ßen aus:

Simulation einer symmetrischen Last an einer asymmetrischen Spannungsquelle
Simu­la­ti­on einer sym­me­tri­schen Last an einer asym­me­tri­schen Spannungsquelle

Der Last­wi­der­stand von 50 Ω ist nun gleich­mä­ßig in R1 und R2 von jeweils 25 Ω auf­ge­teilt und deren mitt­le­re Ver­bin­dung ist über einen Wider­stand R3 an die Erde gelegt. Das soll ver­ein­facht die elek­tro­ma­gne­ti­sche Kopp­lung des Dipols zu Erde simu­lie­ren. Die tat­säch­li­che Grö­ße von R3 ist für das Ver­ständ­nis nicht rele­vant. Hier wur­den 100 Ω gewählt, damit der Effekt deut­lich sicht­bar wird: die Strö­me über R4 und R5 glei­chen sich jetzt nicht mehr aus. Wenn man R5 als den Außen­lei­ter eines Koax­ka­bels betrach­tet, die Abschir­mung, fließt nun ein Strom in die­sem Man­tel, ein Man­tel­strom. Damit liegt die Abschir­mung nicht mehr auf einem ein­heit­li­chen Poten­ti­al, was bei grö­ße­ren Sen­de­lei­stung zu aller­lei teils über­ra­schen­den, aber uner­wünsch­ten, Effek­ten führt. Der auf­fäl­lig­ste davon ist mei­stens die Ein­strah­lung in ande­re elek­tro­ni­sche Gerä­te, wie z.B. einen PC. Wenn der bei Druck auf die Sen­de­ta­ste ein­friert, wenn Maus oder Tasta­tur ver­rückt spie­len, dann sind mei­stens Man­tel­wel­len dafür verantwortlich.

Die Ret­tung: ein Symmetrierer

Um die­se Man­tel­strö­me zu ver­mei­den, muß das asym­me­tri­sche Signal aus dem Koax­ka­bel zum Spei­sen des Dipols an des­sen Ein­spei­se­punkt sym­me­triert wer­den. Die­se Funk­ti­on über­nimmt ein Balun (balanced-unbalan­ced), der übli­cher­wei­se als Trans­for­ma­tor auf­ge­baut ist.

Simulation einer symmetrischen Last an einer asymmetrischen Spannungsquelle mit Symmetrierer
Simu­la­ti­on einer sym­me­tri­schen Last an einer asym­me­tri­schen Span­nungs­quel­le mit Symmetrierer

In die­ser Simu­la­ti­on wird ein Strom­trans­for­ma­tor ver­wen­det. Bei­de Wick­lun­gen, L1 und L2, sol­len eine Induk­ti­vi­tät von jeweils 500 µH haben. Die Spi­ce-Anwei­sung „K1 L1 L2 1“ besagt, daß die Spu­len L1 und L2 maxi­mal gekop­pelt sind. Der letz­te Para­me­ter kann zwi­schen 0 und 1 lie­gen. Hier ist also eine idea­ler Tra­fo simu­liert, den es so in der Pra­xis nicht gibt.

Die Simu­la­ti­on zeigt, daß die Sum­me der Strö­me in R4 und R5 gegen null geht. Die Man­tel­wel­le wur­de also erheb­lich gedämpft, die Lei­stung an R1 und R2 ist gleich­ge­blie­ben. Mecha­nisch ist ein Strom­trans­for­ma­tor sehr ein­fach zu rea­li­sie­ren, zum Bei­spiel indem man eini­ge Win­dun­gen Koaxi­al­ka­bel auf einem Ring­kern auf­wickelt (Rei­sert Balun).

Statt eines Strom­trans­for­ma­tors kann aber auch ein „klas­si­scher“ Span­nungs­trans­for­ma­tor ein­ge­setzt werden:

Symmetrierung mit Spannungsübertrager
Sym­me­trie­rung mit Spannungsübertrager

Das führt letzt­lich zu dem­sel­ben Ergeb­nis, daß die Man­tel­wel­len erheb­lich redu­ziert wer­den. Die­se Bau­art hat den zusätz­li­chen Vor­teil einer Poten­ti­al­tren­nung, dafür aber gege­be­nen­falls den Nach­teil, bei nied­ri­gen Fre­quen­zen einen Kurz­schluß darzustellen.

Mes­sung von Mantelwellen

Man­tel­wel­len las­sen sich durch eine recht ein­fa­che Mes­sung nach­wei­sen und zumin­dest qua­li­ta­tiv ver­glei­chen: man baut einen Strom­meß­tra­fo um das Spei­se­ka­bel her­um. Dazu eig­net sich ein mit eini­gen Win­dun­gen bewickel­ter Ring­kern, der über das Koaxi­al­ka­bel gescho­ben wird. Innen- und Außen­lei­ter des Koax­ka­bels stel­len die Pri­mär­wick­lung eines Trans­for­ma­tors dar, der Ring­kern die Sekun­där­wick­lung. Wenn die Strö­me auf dem Innen­lei­ter und dem Außen­lei­ter des Koax­ka­bels ent­ge­gen­ge­setzt flie­ßen und gleich groß sind, wird in der Meß­spu­le kei­ne Span­nung indu­ziert. Ist einer die­ser Strö­me grö­ßer als der ande­re, dann ist die indu­zier­te Span­nung pro­por­tio­nal zu die­sem über­schüs­si­gen Strom. Man kann die­se Span­nung gleich­rich­ten und mit einem Volt­me­ter nach­wei­sen. Hier eine ein­fa­che Schal­tung zu die­sem Zweck:

Messung von Mantelwellen
Mes­sung von Mantelwellen

An J1 wird die Meß­spu­le ange­schlos­sen, an J2 und J3 das Volt­me­ter. Als Dioden wer­den wegen der nied­ri­ge­ren Durch­bruch­span­nung nor­ma­ler­wei­se Ger­ma­ni­um­di­oden ver­wen­det. Schott­ky­di­oden oder Sili­zi­um­di­oden funk­tio­nie­ren auch, man stellt ja nor­ma­ler­wei­se kei­ne hohen Ansprü­che an die Meßgenauigkeit.

Die­se Meß­schal­tung lässt sich nun auch mit Spi­ce simulieren.

Mantelwellenmessung
Man­tel­wel­len­mes­sung

Um die Rechen­zeit und die Anzahl der Daten­punk­te in Gren­zen zu hal­ten, wur­de nur bis zu 500 ms simu­liert und die zeit­li­che Auf­lö­sung auf 1µs gesetzt. Die bei­den Lei­ter des Koax­ka­bels wur­den will­kür­lich (aber nicht ganz unrea­li­stisch) mit jeweils 50nH ange­setzt (L4 und L5), die Meß­spu­le L3 mit 10µH. Alle Spu­len sind wie­der ide­al gekop­pelt (Spi­ce Direk­ti­ve K2). Da LTSpi­ce kei­ne Ger­ma­ni­um­di­ode im Bau­ka­sten hat, wur­de die­se Simu­la­ti­on mit Schott­ky­di­oden durchgeführt.